DWI-Forum Weinakademiker 2019
Dieses ebenso kurzweilige wie lehrreiche Workshop-Format führt das Deutsche Weininstitut (DWI) in Zusammenarbeit mit dem Club der Weinakademiker bereits seit einigen Jahren durch. Das Deutsche Weininstitut präsentierte dem Club der Weinakademiker am letzten Februarwochenende ein wahres Feuerwerk an zeitgeistigen Vorträgen und Themen.
Standort ist wichtig
Als kongeniale Seminar-Partner erweisen sich seit zwei Jahren H.B. Ullrich und seine Tochter Johanna Bächstädt mit ihrem Hotel Kronenschlösschen und ihrem ebenso kompetenten als auch gastfreundlichen Team: Küchenchef Simon Stirnal, Sommelier Florian Richter, Gast-Sommelier Jo Wessels, sowie der heimlichen Grande Dame des Hauses, Beate Mayer. Liebes Kronenschlösschen-Team: Es war grossartig und wir kommen gerne wieder!
Alte Reben und junge Gesetze
Am Sonntagabend ging es um die Daseinsberechtigung „Alter Reben“ aus Winzersicht. Philipp Luckert setzte mit seinem „Ur-Sylvaner“ (Alter der Rebstöcke gut 140 Jahre) gleich zu Beginn eine echte Benchmark. An diesem Status quo konnte – zumindest heute Abend – keiner der Folgeweine auch nur ansatzweise kratzen. Solche fast vergessenen Wingerte gibt es in Deutschland nur noch sehr selten. Aufgrund der Flurbereinigungen sind in den 1970er Jahren viele alte Anlagen dem Pflug zum Opfer gefallen.
Axel Neiss Johannes Hasselbach Philipp Luckert
Aber auch vierzigjährige Rebstöcke zeigen bereits deutlich, wohin die Reise geht. Der Pfälzer Axel Neiss beweist mit seinem lebhaften Kalkstein-Riesling „Bruderberg“ in zwei verschiedenen Jahrgängen, dass über das hochgelobte „Terroir“ letztlich doch der Jahrgang dominiert. Bei seinen prägnanten, im Edelstahltank ausgebauten Rieslingen aus den eher warmen Jahrgängen 2009 und 2012, sind ganz klar Verwandtschaft und Typizität zu spüren, letztendlich werden beide Rieslinge jedoch deutlich von ihrem jeweiligen Jahrgang geprägt.
Im Roten Hang fand die Flurbereinigung ebenfalls in den 1970er Jahren statt. Der folgende Flight steht sowohl für die Komplexität Alter Reben, als auch für nachvollziehbare Herkunft. Die beiden Riesling GG‘s der Top-Lagen „Pettenthal“ und „Rothenberg“ des Weingut Gunderlochs, sind aufgrund des gleichen Jahrgangs bestens vergleichbar. Sie präsentieren ihre unterschiedliche Lagencharakteristik sehr deutlich. „In der Jugend sind die Rebstöcke nicht in der Lage, ihre Herkunft so prägnant und nachvollziehbar abzubilden“, freut sich Johannes Hasselbach über seine facettenreichen Grossen Gewächse.
Winzerhandwerk versus Wissenschaft
Nun haben wir die Meinung sehr motivierter Winzer über das Rebalter und den damit verbundenen Einfluss gehört. Unsere Zielsetzung wäre jedoch eine dazu fundierte wissenschaftliche Meinung abbilden zu können. Vielleicht können wir Prof. Dr. Manfred Stoll, Hochschule Geisenheim University, überzeugen, uns in einem der nächsten Workshops etwas über seine Studienreihe „Einfluss alter Rebstöcke“ zu berichten.
Probieren geht über Studieren
Auch kulinarisch blieben wir im nachfolgenden Speisen- und Weinparcours® den „Alten Reben“ treu. An neun unterschiedlichen Stationen servierte Küchenchef Simon Stirnal mit seinen Jungs die passenden Gerichte zu den unterschiedlichen Weinen. Eine grosse Freude und absolut erwähnenswert, mit welcher Treffsicherheit es Simon Stirnal gelingt, zu den von Christina Fischer ausgesuchten Weinen eine korrespondierende Rezeptur zu finden. Augenzwinkernd bemerkt Simon Stirnal: „Da reichen mir ein paar Stichworte und ein abschließendes Probeessen – dann sitzt die Sache!“ Wohlwissend, dass das ständige Training mit Sommelier und Sparringspartner Florian Richter für das gute Ergebnis gesorgt hat. Der Speisen- und Weinparcours® macht seinem Namen alle Ehre. Alle bewegen sich völlig entspannt, ohne Eile und genussvoll lustwandelnd durch die heiligen Hallen des Kronenschlösschens. Am nächsten Tag wurde kolportiert, dass einige Gäste versucht hatten, die Kronenschlösschen-Weinkarte leer zu trinken…
Wake up call! Good Morning Weinakademiker!
Ab 8.30 Uhr finden sich die wissbegierigen Fachleute langsam und teilweise etwas müde ein. Um Punkt 9 Uhr geht es mit einem ausgeschlafenen Steffen Schindler und den aktuellen DWI-Themen los. Unglaublich, was das Deutsche Weininstitut im In- und Ausland umsetzt. Das Update führt deutlich vor Augen, dass die deutsche Weinszene eigentlich sehr wenig von der intensiven und vor allem engagierten Arbeit des Deutschen Weininstituts mitbekommt. Bevor sich die Teilnehmer vorstellen, geben Waltraud Lanius und Christina Fischer einen kurzen Abriss über die Aktivitäten des Clubs der Weinakademiker.
Weinlagerung und Verschlüsse
sind das Forschungsthema von Laborleiter Horst Rudy, der sich seit vielen Jahren am DLR Mosel. Mit seinem Vortrag nimmt Horst Rudy alle Anwesenden sofort in Beschlag, die Zeit verfliegt und alle hätten noch stundenlang zuhören können. Dieses Resultat spricht für einen Fortsetzung der „Verschlusssache“, eine erfolgreiche Veranstaltung zum Thema, die der Club der Weinakademiker bereits im Jahr 2016 mit Horst Rudy am DLR-Mosel durchgeführt hatte.
Alte Reben und junge Gesetze
Nachdem wir die Vorteile der alten Reben am Sonntagabend sowohl theoretisch als auch praktisch durchgearbeitet hatten, folgten am Montagmorgen die „jungen Gesetze“. Schließlich ist das Thema „Schutzgemeinschaften“ brandaktuell. Dennoch ist es schwer, eine klare Definition zu bekommen. In der Regel sind die Aussagen sehr unterschiedlich. Deshalb bringt Christian Schwörer, studierter Rechtsanwalt und seit 1.1.2019 Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, mit seinem Vortrag entsprechendes Licht in das Dunkel. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Steffen Schindler, DWI; Martin Kössler, K&U Weinhalle; sowie Boris Kranz, Weingut Kranz und Vorsitzender des Weinbauverbandes Pfalz, kommen die Brennpunkte und Schnittmengen erstaunlich schnell zur Sprache. Im Prinzip ist es gut, dass wichtige Entscheidungen zukünftig von den Produzenten getroffen werden können und nicht mehr von einer Behörde festgelegt werden. Um so wichtiger, dass alle Gebiete bereits jetzt ihre Hausaufgaben machen, sich mit dem Thema intensiv beschäftigen und die neuralgischen Punkte entsprechend definieren. Ungut wäre es, die Dinge liegen und schleifen zu lassen – frei nach dem Motto, dass sich irgendwann alles von alleine regelt. Martin Kössler legt den Finger in die Wunde: „Das ist eine echte Chance für den Weinbau, endlich mal Klarheit und Transparenz in die Sache zu bringen. Aber das erfordert aufgeklärtes Mitarbeiten und -denken der Winzerschaft.“ Während Boris Kranz und Christian Schwörer das Thema sehr diplomatisch und guter Dinge angehen, hofft Steffen Schindler speziell für die Auslandsarbeit des Deutschen Weininstitutes auf verständliche und möglichst einheitliche Festlegungen.
Prickelndes Finale
In der letzten Session ging es von Pet Nat bis zur Méthode Champenoise. Ein wahrlich breiter Spannungsbogen, der jedoch auch ein bisschen die derzeitige Situation im Bereich „Deutsche Sekt“ beleuchten sollte.
Was tut sich in der Szene?
Pét Nat ist die umgangssprachliche Abkürzung für Pétillant Naturel, was man durchaus mit „natürlich prickelnd“ übersetzen könnte. Bevor es mit der Diskussion losging erklärte Bettina Schumann, Weinhaus Schumann, Baden, was dieses zurzeit extrem hippe Getränk eigentlich ausmacht und wie es zustande kommt. Sie hat im letzten Jahr einen prägnanten, recht dunklen Pét Nat Rosé mit saftigen Kirscharomen und griffigem Gerbstoffgerüst produziert und weiß wovon sie redet. Der Franke Stephan Krämer betreibt mit seiner Familie einen ökologischen Land- & Weinbau, 75 Hektar Landwirtschaft und gut 4 Hektar Wein. Für ihn ist sein Pétillant Naturel die Möglichkeit einen kohlensäurehaltigen Wein auf natürliche Art und Weise zu produzieren. Dennoch ist es so ganz einfach mit dem Pét Nat nicht… Beide Winzer attestieren enorme Durchschlagskraft beim Degorgieren des Flaschengärers. Man muss die Kronkorken vorsichtig öffnen, sonst schiessen locker zwei Drittel des Inhalts hinaus. Stephan Krämer und Bettina Schumann geben beide keine Dosage zu, schwefeln nicht, füllen lediglich mit demselben Wein auf. So trägt Pétillant Naturel einen natürlich ökologisch produzierenden Gedanken in sich. Nüchtern betrachtet ist die coole Bezeichnung wohl eher der Grund, weshalb Pét Nat in der Gastro-Szene gerade so extrem sexy und gefragt ist.
Méthode Champenoise
„Dieser Begriff darf weder in Deutschland noch im Rest der Welt verwendet werden“, weiß der gebürtige Elsässer Mathieu Kauffmann nur zu gut, war er doch lange Jahre für das Champagnerhaus Bollinger tätig. Jetzt lebt er mit seiner Familie in der Pfalz, arbeitet für Reichsrat von Buhl und revolutioniert mit seinem französischen Wissen die traditionelle deutsche Sektbereitung. Allerdings ist Geduld angebracht. Bereits bei den ersten Gesprächen offenbarte er Achim Niederberger, dass er mindestens zehn Jahre benötigen würde, um über ein entsprechends Reservoir an guten Grundweinen zu verfügen. Französisches Kulturgut. Monsieur Kauffmann ist Meister der Assemblage.
Das hochwertiger Sekt auch in der jungen Generation angekommen ist, beweist Niko Brandner vom Weingut Griesel an der Hessischen Bergstrasse: „Ich bin Winzer geworden, weil ich einen Beruf lernen wollte, der sich nach Berufung, nach Lebenssinn anfühlt. Ich stamme nicht aus einer Winzerfamilie. Bei Griesel bin ich seit Anfang an dabei und konnte einen Betrieb ganz alleine nach meinen Vorstellungen aufbauen.“ Das Sekthaus Griesel hat das historischen Kreuzgewölbekellers des ehemaligen Staatsweingutes an der fast vergessenen „Hessischen Bergstrasse“ übernommen. Die Verkostung und die parallele Diskussion beweisen eindrucksvoll, dass sich in Sachen „Sekt“ in den letzten Jahren in Deutschland viel getan hat. Volker Raumland muss nun nicht mehr alleine kämpfen. Der Nachwuchs ist bereits gesichert.
Fazit
Ein informativer, hochwertiger Workshop, der den über 50 Teilnehmern viel Freude gemacht und damit letztendlich das Club-Gefühl gestärkt hat. In globalen Zeiten ist ständige Wein-Weiterbildung ist ein „must“. Das zeigt sich nicht nur bei länderübergreifenden Veranstaltungen, sondern auch im Austausch mit den ausländischen Kollegen. Zudem ist ein solches „Szene Get Together“ auch gesellschaftlich wertvoll. Deshalb abschließend ein großer Dank an das Deutsche Weininstitut, das die vinophile Weiterbildung so großartig unterstützt!